Gespräch vom 10.Januar 2003

Michaela Schindler (MS), Kunsthistorikerin, Sabine Bacher (SB), Studentin für Visuelle Kommunikation, und Gudrun Schuster (GS), Künstlerin

MS: Durch meine kunsthistorische Tätigkeit bin ich den Umgang mit Malerei und Skulptur gewohnt. Trotzdem war es eine Herausforderung, deine Arbeiten erstmals zu betrachten. Ich kann in deiner Kunst Gegenstände finden, die ich kenne, jedoch gibt es auch etwas, das sich schwer verbal fassen lässt. Um deine Kunst zu begreifen, möchte ich mehr über deine Denk- und Arbeitsweisen erfahren. Du arbeitest in den Bereichen Skulptur, Objektkunst und Installation und verwendest verschiedenste Materialien, zum Beispiel Holz, Stein, Gips, Plastik, Wachs, Beton, Styropor. Was hält diese Vielfalt zusammen? Gibt es ein Überthema, das dich bei deinen Arbeiten beschäftigt?

GS: Ich arbeite nicht bewusst mit einem Überthema, sondern lasse mich vom Arbeitsprozess, von der Raumsituation, Gegenständen und Materialien leiten. Die Zusammensetzung von vorhandenen Formelementen zu einer Skulptur ist für meine Herangehensweise etwas Typisches. Ich gehe experimentell an die Dinge heran. Wenn das Endergebnis offen ist sehe ich das als Glücksfall an. Auch wenn das Einzelelement uns noch so vertraut und „gewöhnlich“ erscheint, im Zusammensein mit weiteren Elementen entfaltet es seine lyrische Potenz. Kontrastreichtum, Abwegigkeiten, Reibungen an Erwartungshaltungen bringen die Dinge zum Sprechen.

SB: Bevorzugst du ein bestimmtes Material?

GS: Ich bin offen für jedes Material. Die Auswahl ist vom jeweiligen Objekt und vom Anlass abhängig. Durch spannendes Zusammenfügen von Extremen, d.h. durch Kombination weit auseinander liegender Formen und Materialien werden die Dinge mit Erinnerungen und Empfindungen aufgeladen.
Anfangs hatte ich bevorzugt Alltagsgegenstände in ein anderes Material übersetzt, zum Beispiel in Wachs. Dadurch hatte ich sie ihrer Funktionalität enthoben und sie waren nun frei zum Spiel. Heute habe ich einen breiteren Handlungsspielraum, um dies zu erreichen. Ich verwende Materialien, die sich durchaus gesucht einander widersetzen. Es gibt Reibungspunkte, deren Überwindung zu dieser Freisetzung beitragen kann. Hierbei will ich selbst den handwerklichen Vorgaben, dem traditionellen Umgang mit dem Werkstoff, die Freiheit der Kunst entgegenstellen, wie ich sie verstehe. Kein Fetisch dem Material.

MS: Mir fällt auf, dass einzelne Elemente sich in gewissen Konstellationen wiederholen. Da ist beispielsweise die Ei-Form.

GS: Genau genommen sind es zwei unterschiedliche eiförmige Objekte aus Ytongsteinen, die ich bis jetzt in mehreren Arbeiten verwendet habe. Beide dienten ursprünglich als Prototypen für eine Platzgestaltung, eine Auftragsarbeit. Es handelt sich also eigentlich um die Abfallprodukte eines Werkprozesses. Eines der Objekte habe ich als transportable Projektionsfläche für eine Rauminstallation eingesetzt. Jetzt ist dieses Ei Bestandteil der dreiteiligen Skulptur „Aufgespießt“. Demnächst kann es aber genauso gut – oder auch nicht - in einem anderen Aufbau „recycled“ sein.

SB: Dann sind deine Objekte zeitlich begrenzt, vergänglich?

GS: Ja, selbst meine „eigensten“ Formfindungen, die mir besonders ans Herz gewachsen sind, unterliegen meiner Umbaulust. Es gibt nur wenige Arbeiten, die sozusagen eingefroren, erstarrt sind, zu keiner weiteren Formfindung auseinander genommen und umgebaut werden; meistens handelt es sich um traditionell gearbeitete Skulptur. Manchmal kommt es mir so vor, dass ich meine Objekte und ihre Einzelteile so behandele, als wären sie verschiebbare Requisiten vom Theater.

SB: Spielt Bewegung dann auch eine Rolle in deinem Werk?

GS: Nicht so direkt, dass ich über einen Motor Bewegung erzeugen möchte. Aber ich nehme gerne durch die Art und Weise des Zusammenfügens den Gegenständen ihre stabile Lage und bringe sie in den Balancezustand. Die Balance drückt am dringlichsten das Potential, die Möglichkeit von Bewegung im Sinne von Veränderung aus.

MS: Neben dem Material ist das Spezifische der Bildhauerei der Raum.

GS: Es gibt eine Wechselwirkung zwischen dem Raum und dem künstlerischen Eingriff. Sie geben sich quasi gegenseitig „Regieanweisungen“. Nur der Raum entfaltet die Wirkung meiner Skulpturen, lädt sie durch seine Geschichte auf. Das gilt insbesondere für meine Installationen. Wenn man mal einen Gegenstand unterschiedlichen Orten aussetzt, merkt man, wie sich die Rezeption der Skulptur unter der „Regieanweisung“ des Raums verändert und wie umgekehrt auch der Raum neue Facetten bekommt.

MS: Wann ist ein Objekt für dich so endgültig, oder besser gesagt „vorläufig endgültig“, dass du es in einer Ausstellung zeigst?

GS: Wenn ich es auf die aktuelle Situation so eingerichtet habe, das es das Nichtgezeigte und das Nichtgesagte berührt. Poetisch gesagt, wenn „das Lächeln am Fuße der Leiter“ zu spüren ist.

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